Mitteleuropäische Zivilgesetzgebung in der Zwischenkriegszeit
Die nach dem Ersten Weltkrieg neu entstandenen Staaten im östlichen Mitteleuropa übernehmen vielfach zunächst das bislang auf ihrem Territorium geltende Recht. Jedoch wird schon bald die Schaffung einer eigenen, einheitlichen Rechtsordnung angestrebt durch die Neuregelung zentraler Rechtsbereiche, insbesondere des Zivilrechts. Die Arbeiten der in diesen Staaten eingesetzten Kommissionen führen jedoch letztlich nur in Lettland zum Inkrafttreten eines neuen Zivilgesetzbuchs, während sie ansonsten im Entwurfsstadium steckenbleiben.
Diese Entwürfe stehen an einer Schwelle. Einerseits sind sie die vielleicht letzten großen Leistungen des Zeitalters der liberalen Zivilrechtskodifikationen, das mit dem französischen Code civil beginnt und an dessen Ende mit dem Diktum Wieackers das deutsche BGB »als ein spät geborenes Kind des Liberalismus« steht, so dass sie gleichsam als »nichtgeborene Kinder des Liberalismus« erscheinen mögen. Andererseits könnten im Anschluss an die europäische Entwicklung der Zwischenkriegszeit auch schon stärkere soziale oder paternalistische Tendenzen zu spüren sein, die den Übergang zum heutigen sozialen Privatrecht markieren.
Allen Texten ist gemeinsam, dass sie sich durch hohe Qualität auszeichnen. Jeder Einzelne von ihnen verdient eine intensive wissenschaftliche Bearbeitung. Der vergleichende Blick auf die Arbeiten verspricht einen weiteren Erkenntnisgewinn, weil er den Blick auf ein transnationales Expertennetzwerk eröffnet. Das Projekt »Nichtgeborene Kinder des Liberalismus« hat intensive, drittmittelgeförderte Forschungsarbeiten in mehreren mitteleuropäischen Staaten angestoßen.
Förderung: DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Internationale wissenschaftliche Veranstaltung); GAČR (Grantová agentura České republiky, Projekt GA17-23288S); ETAG (Eesti Teadusagentuur, Grant IUT20-50)
Publikation: Löhnig/Wagner (Hrsg.), "Nichtgeborene Kinder des Liberalismus"?, Tübingen (Mohr Siebeck) 2018