Die Karriere der Gmbh in Europa 

 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wurde vom deutschen Gesetzgeber im Jahre 1892 als Gesellschaftsform geschaffen, ohne daß es historische Vorläufer oder Anregungen aus der Rechtsvergleichung gegeben hätte. Sie brachte eine Neujustierung des Verhältnisses von Gewinnchance und Haftungsrisiko. Zuvor konnte in Deutschland eine wirtschaftlich tätige Juristische Person nur als Aktiengesellschaft / Societé Anonyme geschaffen werden. Hierfür bedurfte es eines hohen Gründungskapitals. Zudem waren zahlreiche weitere Voraussetzungen zu erfüllen, zumal auf Grundlage der durch die „Gründerkrise“ ausgelösten Novelle des Aktienrechts im Jahre 1884. 

Für die Entstehung der GmbH wird vielfach auf den kolonialen Zusammenhang verwiesen; bereits ein Reichsgesetz von 1888 ermöglichte konzessionierte Kolonialgesellschaften, dies auch mit Blick auf die englische Limited (Ltd). Die GmbH war aber von Anfang an nicht auf solche Unternehmungen beschränkt und feierte ihren Siegeszug auch nicht in den (ohnehin bald verlorenen) Kolonien. Vielmehr bestand gerade im Deutschen Reich selbst ein Bedürfnis nach einer weniger schwerfälligen und unkomplizierten Gesellschaftsform mit Haftungsbeschränkung. Im Gesetzgebungsverfahren hatten die Modelle einer modifizierten Personengesellschaft (Offene Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung) und einer vereinfachten Aktiengesellschaft miteinander konkurriert. Das Gesetz enthält eine Synthese aus beiden Modellen. Schnell erfreute sich die GmbH großer Beliebtheit in der deutschen Rechtspraxis. 

Allerdings wurde von Anfang an auch Kritik aus der Rechtswissenschaft laut, die nicht in das rasch durchgeführte Gesetzgebungsverfahren einbezogen worden war. Levin Goldschmidt äußerte bereits 1892 die Sorge, daß die GmbH „prinzipiell solidere Gesellschaftsformen“ wie die Offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) verdränge. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde über eine Reform des GmbH-Gesetzes diskutiert, der Deutsche Juristentag 1914, der sich diesem Thema widmen sollte, fand jedoch nicht mehr statt. 

Auf dem 5. Deutschen Juristentag in der Tschechoslowakei (1931) wird die GmbH als „Schädling“ bezeichnet, weil sie zu leichtfertigen Gründungen, unredlichem Geschäftsgebaren und mißbräuchlicher Benutzung einlade. Sie ermögliche „riskante Geschäfte unter Überwälzung des Risikos auf den Gläubiger bei eigener unbegrenzter Gewinnchance zu machen“ und verstoße so gegen zwei Prinzipien einer freien Verkehrswirtschaft, den Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung und jenen der Identität zwischen formellem und materiellem Unternehmensträger. 
Diese Kritik konnte der Karriere der neuen Gesellschaftsform in zahlreichen mitteleuropäischen Staaten jedoch keinen Abbruch tun. Daran knüpfen sich Fragen an: 

1.) Ausgangssituation: Wie ist die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation des jeweiligen Staates im Zeitpunkt der Übernahmeentscheidung beschaffen? Vor welchem allgemein-geschichtlichen Hintergrund spielt sich die Entwicklung ab? Wie ist die jeweilige gesellschaftsrechtliche Ausgangssituation? Welche Gesellschaftsformen mit welchen Eigenschaften existieren also im Zeitpunkt der Übernahmeentscheidung? 

2.) Kräfte und Argumente: Warum wurde die GmbH jeweils (nicht) rezipiert? Warum meinte man, diese Gesellschaftsform (nicht) zu benötigen? Wie verlief die Debatte um eine Übernahme der GmbH? Welche treibenden Kräfte und welche Gegenspieler existierten? Welche Argumente wurden jeweils vorgetragen? 

3.) Experten: Wer war mit der Erarbeitung der Regelungen zur Einführung der GmbH befaßt? Wissenschaftler, Praktiker, Ministerialbürokratie, Wirtschaftsfachleute? Hatten diese Experten besondere Verbindungen zur deutschen oder einer anderen Rechtsordnung? 

4.) Inhalt: Wie wurden die deutschen Regelungen bewertet? Wurden bei einer Übernahme Veränderungen im Vergleich zum deutschen Recht vorgenommen? Wie fügte sich die GmbH jeweils in das nationale Gesellschaftsrecht ein? Wurden weitere Gesetzesänderungen erforderlich? 

5.) Wirkungsgeschichte: Wie war die Akzeptanz dieser neuen Gesellschaftsform in der Praxis und was sind die Gründe hierfür? Welche Kritik wurde nach der Übernahme dieser Gesellschaftsform laut? Welche Reformen wurden später angestrengt oder zumindest vorgeschlagen? Wurde eine Abschaffung der GmbH erwogen? Welche Rolle spielt diese Gesellschaftsform heute? 

Förderung: IDUB (Inicjatywa doskonałości – uczelnia badawcza) aus Mitteln der polnischen Exzellenzinitiative

Publikation: Löhnig/Moszyńska (Hrsg.), The GmbH as an element of transnational European company law [= Legal Area Studies Bd. 6], Wien 2023.