Das Recht des Modernen Griechenland
Teil 1: Das griechische Strafrecht von 1834
Am 25. März 2021 hat Griechenland sein großes Jubiläum gefeiert: 200 Jahre Unabhängigkeit und staatliche Souveränität. Dies nehmen wir zum Anlass, die strafrechtlichen Gesetze zu untersuchen, die von dem bayerischen Juristen Georg Ludwig von Maurer verfasst wurden und 1834 im neu gegründeten Griechenland in Kraft traten. Maurer war in seiner Eigenschaft als Mitglied der Regentschaft des bayerischen Prinzen Otto, der im Alter von 16 Jahren griechischer König geworden war, der erste Gesetzgeber des Königsreiches Griechenland.
Grundlage seines griechischen Strafgesetzes war insbesondere das Feuerbach‘sche bayerische Strafgesetzbuch von1813. Auf dem Schreibtisch stehen hatte Maurer dieses bayerische Gesetzbuch allerdings in einer mehrfach novellierten Fassung, die der Kritik, die alsbald an Feuerbachs Werk laut geworden waren, zum Teil Rechnung getragen hatte. Gleichzeitig berücksichtigte Maurer die bayerischen Entwürfe für ein völlig neues bayerisches Strafgesetzbuch aus den Jahren 1822, 1827 und 1831 und kannte auch die französischen Strafgesetzbücher aus den Jahren 1810 und 1832 sehr gut.
Während Feuerbachs StGB auch ein Prozessrecht enthielt, entwickelte Maurer eine eigenständige Strafprozessordnung für das Königreich Griechenland. Umgekehrt gliederte er das Polizeistrafrecht als Dritten Teil dem Strafgesetzbuch an, während in Bayern ein das Polizeistrafrecht ein eigenständiges Gesetz bildete. Eine deutsche Übersetzung der griechischen Gesetze hat Maurer selbst 1835 publiziert [Maurer, Das griechische Volk in öffentlicher, kirchlicher und privatrechtlicher Beziehung. Vor und nach dem Freiheitskampfe bis zum 31. Juli 1834, Dritter Band. Anhang, Heidelberg 1835, abrufbar bei google books].
Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 ist der erste Versuch, die Vorstellungen der philosophisch gebildeten Strafrechtswissenschaftler jener Zeit von einem rationalen und liberalen Strafrecht in eine umfassende Kodifikation zu überführen. Es markiert den Beginn der modernen deutschen und europäischen Strafgesetzgebung, so wie sein Verfasser, der Wirkliche Staatsrat Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775-1833), in Deutschland als Begründer der liberalen, rechtsstaatlichen Strafrechtswissenschaft gilt. Das Gesetzbuch gilt bis heute als Prüfstein für die Liberalität, Modernität und Rationalität von Strafrechtskodifikationen. Zu nennen sind die Unterscheidung zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, die systematische Geschlossenheit des Allgemeinen Teils, die Durchführung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ und die Umsetzung des Bestimmtheitsgebots im Besonderen Teil.
Das Strafrecht Griechenlands erscheint vor diesem Hintergrund gleichsam als die Version 2.0 des Feurbach’schen Werkes [hierzu vgl. Koch/Kubiciel/Löhnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch - Die Geburt liberalen, rationalen und modernen Strafrechts, Tübingen 2013]. Dies lässt eine eingehende Befassung mit dem Straf- und Strafprozessrecht des Königreichs Griechenland, wo Maurers Werk übrigens bis 1951 gegolten hat, sehr lohnenswert erschienen.
Teil 2: Georg Ludwig Maurer – Gesetzgeber Griechenlands
Der bayerische Jurist Georg Ludwig von Maurer war in seiner Eigenschaft als Mitglied der Regentschaft des bayerischen Prinzen Otto, der im Alter von 17 Jahren griechischer König geworden war, der erste Gesetzgeber des Königsreiches Griechenland. Innerhalb von anderthalb Jahren schuf er verfassungs- und kirchenverfassungsrechtliche Grundlagen, eine Gerichts- und Notariatsverfassung, das Straf- und Strafprozessrecht sowie das Zivilverfahrensrecht des neuen griechischen Staates. Über sein Schaffen in Griechenland erstattete er dann noch innerhalb weniger Monate einen dreibändigen Bericht. Lediglich das geplante Zivilgesetzbuch konnte er wegen seiner Abberufung aus Griechenland nicht mehr vollenden. Maurer reiht sich damit unter die großen europäischen Kodifikatoren ein, zumal seinen Gesetzbüchern eine lange Geltungsdauer beschieden war. Trotzdem fehlt es bislang weitgehend an Forschungsarbeiten zu Maurers Person und Gesetzgebungswerk. Das zweite Teilprojekt möchte deshalb über das Strafgesetzbuch hinaus nun das gesetzgeberische Gesamtwerk Maurers in den Blick nehmen.
Projektpartnerin: PD Dr. Konstantina Papathanasiou, LL.M.
Publikation: Konstantina Papathanasiou/Martin Löhnig (Hrsg.), Feuerbach 2.0? Das griechische Strafgesetzbuch von 1834, Berlin (Duncker&Humblot) 2024.