Ein Forschungsprojekt des Juristischen Laboratoriums Mitteleuropa beschäftigt sich mit der Entwicklung des Erbrechts in der Zwischenkriegszeit. Dabei sollen vor allem drei große Bereiche im Mittelpunkt stehen:
(1.) Der Diskurs über die Legitimität eines Privaterbrechts überhaupt und seine Ausgestaltung,
(2.) Entstehung und Inhalt von erbrechtlichen Gesetzesentwürfen als Teil einer Zivilrechtskodifikation, sowie
(3.) die Frage nach der Anwendung des einstweilen fortgeltenden überkommenen Erbrechts durch die Gerichte.
Hierbei lassen sich jeweils viele Fragen stellen, von denen ich im Folgenden einige skizzieren möchte.
Gibt es eine zeitgenössische politische, juristische oder gesellschaftliche Debatte über die Frage, ob es gerecht sei, daß Vermögenswerte vererbt bzw. geerbt werden können? Wer vertritt welche Positionen und mit welchen Argumenten? Wird eine solche Debatte gegebenenfalls im Rahmen der Erarbeitung von Gesetzen bzw. Gesetzentwürfen berücksichtigt und auf welche Weise? Gibt es verfassungsrechtliche Garantien des Erbrechts und wie werden sie gegebenenfalls gelesen?
Wie denkt man über die Reichweite der Familiengebundenheit des Vermögens? Bis zu welchem Verwandtschaftsgrad reicht also das gesetzliche Erbrecht und wann kommt der Staat als Erbe ins Spiel? Und in welchem Maß wird der Staat mit dem Instrument der Erbschaftssteuer am Nachlaß beteiligt? Welche gesellschaftspolitische Funktion wird dem Erbrecht überhaupt zugedacht? Gibt es ein stark gleichheitsorientiertes Erbrecht, wie es beispielsweise der Code Civil vorsieht, oder besteht eine weitreichende Freiheit zur Begünstigung einzelner Verwandter zu Lasten der anderen Verwandten? Gibt es Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Erblassern bzw. Erben? Wie geht man mit überkommenen Rechtsinstituten um, etwa dem Fideikommiß? Sollen illegitime Kinder am Nachlaß ihrer Mutter oder ihres Vaters beteiligt werden und auf welche Weise?
Wie ist das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgestaltet? Bestehen Wechselwirkungen mit dem Ehegüterrecht? Gibt es ein dinglich wirkendes Pflichterbrecht oder ein Pflichtteilsrecht mit lediglich obligatorischen Wirkungen (Anspruch auf Geldzahlung gegen die Erben)? Wem steht ein solches Recht zu? Gibt es neben dem Bestehen einer bestimmten verwandtschaftlichen Nähe bzw. einer Ehe weitere Voraussetzungen, etwa Bedürftigkeit? Welche Funktion soll ein solches Pflichterbrecht erfüllen (Versorgung, Teilhabe am Familienvermögen etc.)? Wie wird also das Verhältnis zwischen der Familiengebundenheit des Vermögens und der Verfügungsfreiheit des Erblassers gesehen? Wird ein Sondererbrecht zur Erhaltung von landwirtschaftlichen oder industriellen Betrieben befürwortet oder sogar von Immobilien insgesamt? Können Stiftungen von Todes wegen errichtet werden? Hinzukommen verschiedene einzelne Punkte wie die Frage nach der zulässigen Form von Testamenten, der Möglichkeit bindender Erbverträge oder Erbverzichte, der Ausgestaltung des Vermächtnisses (Vindikationslegat oder nur obligatorischer Anspruch). Genauso die Frage nach dem Übergang des Nachlasses auf die Erben (kraft Gesetzes oder im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens) oder nach der Möglichkeit des Nachweises der Erbenstellung (Erbschein)
Während der Arbeit an Gesetzentwürfen war das bislang geltende Erbrecht von den Gerichten weiterhin anzuwenden. Welche Probleme sind hierbei aufgetreten? Worüber wurde häufig gestritten? Sind eigene Rechtsprechungslinien entstanden oder hat man sich stärker an der Rechtspraxis beispielsweise in Österreich oder Deutschland orientiert? Welche Kommentare, Lehrbücher, Entscheidungssammlungen sind entstanden? .